Entsprechend behandelten Nervenärzte allumfassend Patienten auf beiden Ebenen und konnten so individuell agieren. Seit der GKV-Neuordnung werden Neurologen und Psychiater zusammengefasst. In der Ausbildung jedoch wird der Schwerpunkt entweder auf die Neurologie oder auf die Psychiatrie gelegt. Nervenärzte als solche, werden nicht mehr ausgebildet. Im Landkreis Kelheim gibt es keinen praktizierenden Nervenarzt mehr.
Karin Gais, Leitung Fachbereich Sozialpsychiatrie Caritasverband für den Landkreis Kelheim e.V. (Caritas Kelheim), zeigte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) Straubing sowie im Gesundheitsamt Kelheim einen eklatanten Psychiatermangel an. Sie vertritt dabei die Interessen der psychisch und psychiatrisch erkrankten Menschen im Landkreis.
Als einzige Fachärztin für den Bereich Psychiatrie und Suchtprobleme, in der Region Kelheim, bietet Dr. med. Helga Schulte Behandlungen für Menschen mit psychischen, psychiatrischen oder suchtbedingten Problemen an. Bedingt durch eine weitere Praxis in Mallersdorf, Landkreise Landshut, ist Dr. med. Helga Schulte nur Teilzeit für den Landkreis Kelheim verfügbar. Die Wartezeit für einen Ersttermin beträgt im Regelfall mindestens drei Monate.
Bei weiteren nervenheilkundlichen Fachärzten im Kreis Kelheim handelt es sich um Neurologen, die für Menschen mit einer psychiatrischen Diagnose, einer Suchterkrankung oder Doppeldiagnose nicht zuständig sind. Ihnen fehlt schlicht die fachliche Expertise, sämtliche Erkrankungen des psychiatrischen Spektrums adäquat zu versorgen. Außerdem kann die Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung durch einen Facharzt der Neurologie nur geringfügig bei der Krankenkasse abgerechnet werden. So geht auch die zeitintensive Versorgung chronisch psychiatrischer Patienten deutlich zu Lasten des Arztes.
Suchterkrankungen im Speziellen werden auch überregional von psychiatrischen Fachärzten tendenziell ungern behandelt, diese Patienten leiden insbesondere unter dem Versorgungsmangel. Hausärzte sind mit der Diagnostik und der medikamentösen Behandlung der angesprochenen Klientel naturgemäß überfordert, sofern die Grenzen der psychosomatischen Grundversorgung überschritten werden. Die nun resultierende Weiterleitung an den Facharzt stellt aber ein wie beschrieben großes Problem, mit nicht selten großer Verzögerung, für die Patienten dar.
Eine Möglichkeit, dem Fachärztemangel in der Region vorzubeugen, wären Hausbesuche von Ärzten aus psychiatrischen Kliniken im Umkreis von Kelheim. Die Psychiatrische Institutsambulanz in Landshut könne solche Dienste jedoch nicht anbieten. Alternativ könnten Klienten den Weg nach Regensburg zu Fachärzten antreten, doch auch dort fällt eine Wartezeit von einem viertel Jahr an. Auch die Aufstellung des Nahverkehrs stellt ein weiteres Hindernis dar. Für schwerkranke Klienten wäre die Fahrt nach Regensburg sowie nach Landshut ohnehin nicht durchführbar, für sie gibt es kaum eine Anbindung an einen Psychiater. Vor allem chronisch psychisch kranke Menschen fühlen sich häufig nicht mehr ausreichend fachärztlich versorgt.
Karin Gais hat sich aufgrund des auffallenden Mangels an Fachkräften in der Region Kelheim an Hilde Rainer-Münch, Referentin Landesverband Caritas München, mit der Bitte um Vortrag beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, gewandt. Bisher konnte noch keine Verbesserung der Zustände bewirkt werden.
Die Beratungsstelle für seelische Gesundheit der Caritas Kelheim versorgte im Jahr 2015 436 Klienten, davon 47 Angehörige. 257 Klienten waren zum ersten Mal in der Beratungsstelle der Caritas Kelheim. Lediglich 124 Personen, die 2015 in der Beratungsstelle vorsprachen, befanden sich in fachärztlicher Behandlung. Diesen Umstand gilt es zu beheben. Dr. med. Florian Grum, Neurologe, wäre bereit, einen Psychiater in seiner Praxis in Kelheim aufzunehmen.
Seitens des KVB Straubings liegt folgende schriftliche Stellungnahme vor:
Der Planungsbereich Landkreis Kelheim weist für die Fachgruppe der Nervenärzte (in der unter anderem auch die Fachärzte für Psychiatrie enthalten sind) einen Versorgungsgrad von 112,9 Prozent aus, wodurch der Landkreis Kelheim für weitere Zulassungen von Nervenärzten, Neurologen und Psychiatern gesperrt ist.
Fachärzte für Psychiatrie, die Interesse an einer ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit im Landkreis Kelheim haben, können - soweit sie bereits eine Zulassung besitzen - einen Antrag auf Filialgründung vor der Kassenärztlichen Vereinigung stellen oder Fachärzte für Psychiatrie, die noch keine ambulante Zulassung besitzen, können grundsätzlich einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung vor dem dafür zuständigen Zulassungsausschuss für Ärzte in Niederbayern stellen. Dieser wird dann über das Vorliegen eines psychiatrischen Sonderbedarfes im Planungsbereich Kelheim entscheiden.
Gerne können sich anfragende Ärzte zum Thema Filialgründung oder Zulassung an die Praxisführungs-Berater der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns in der Bezirksstelle Niederbayern wenden:
Heidi Holzleitner, 09421 8009 - 305
Martin Pöschl, 09421 8009 - 313
Anton Altschäffl, 09421 8009 - 301
Seelische Gesundheit
Psychiatermangel im Landkreis Kelheim
Erschienen am:
18.05.2016
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