Theo M. ist 35 Jahre alt, er ist freundlich, hat keine Kinder, ist Single, aber ein Familienmensch. Als Kelheimer Urgestein hat er eine unverwechselbare, lebhafte "boarische" Mundart. Ein Mann im besten Alter, fit und munter, trotz einiger Jahre Schichtarbeit auf dem Buckel. Theo lebt ein ruhiges und vielleicht sogar bodenständiges Leben. Er pflegt in der Stadt ein paar Freundschaften, verbringt Zeit mit seinen Verwandten und trinkt auch mal gerne einen Kaffee mit seiner Großmutter. Auf den ersten Blick also ein angenehmer, nicht ungewöhnlicher Zeitgenosse.
Doch Theo blickt auch auf Erfahrungen zurück, welche vielen sehr fremd erscheinen. Offen erzählt er von einem Leben am Limit, in dem der Rausch ein ständiger Begleiter war. Im Falle Theo M. heißt dies, dass er über acht Jahre beinahe täglich Crystal Meth und Cannabis konsumiert hat. Oft schaffte er eine Woche ohne Schlaf, bis der Körper ihn vor Erschöpfung dazu zwang oder der "Stoff" ausging. Dies ist ein Teil des Lebens von Theo. Anlässlich des "Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr" am Mittwoch, 26. Juni, berichtet der junge Mann von seiner Suchterfahrung und möchte auf das Thema Drogenmissbrauch aufmerksam machen.
Wie begann alles? "Ganz normal eben", meint Theo. Er stammt aus einer nicht weiter auffälligen Familie und ist in einer ländlichen Kleinstadt aufgewachsen. Wie viele, habe Theo auch Cannabis geraucht, als er 14 Jahre alt war. Er hatte Spaß daran, konnte entspannen, egal ob alleine oder mit Freunden. Schnell kam er auch mit anderen illegalen Substanzen in Berührung. Zuerst Speed und dann nach der Öffnung der Grenzen zu Tschechien auch mit Crystal. Speed sei, bei nur wenig Wirkung, jedoch ziemlich teuer gewesen. Mit Crystal hingegen konnte er tagelang im Rausch verbringen.
Selbst ist er auch mal über die Grenze nach Tschechien, um "etwas aufzustellen". Schnell war aber klar, dass mit den vermehrten Einsatz von Schleierfahndern und des Zolls an der Grenze für ihn damit Schluss war. Er wollte vor allem genießen und Spaß haben durch den Konsum der Suchtmittel - nicht ins Gefängnis. Er kaufte fortan nur noch selten und dafür große Mengen in Deutschland und versteckte diese außerhalb seiner Wohnung, um Risiken zu meiden. Ein Großteil seines Gehalts ging hierfür drauf, und so häuften sich auch Schulden an. Einmal wurde er am Steuer unter Cannabiseinfluss erwischt und verlor seinen Führerschein. Auch der Kontakt zur Familie oder Personen außerhalb des Drogenmilieus wurde immer geringer.
Mit zunehmender Einsamkeit war es ihm immer wichtiger, nicht alleine zu konsumieren. Er teilte seinen Stoff. Als ein Freund schließlich von der Polizei erwischt wurde und im Chatverlauf seines Smartphones Theos Name erschien, gab es für ihn nichts zu leugnen. Er gestand die Abgabe und den Handel von insgesamt sechs Gramm Crystal Meth und 20 Gramm Cannabis. Diese Entscheidung bereut er heute nicht. Nicht nur, weil er nur ungern lügt, sondern weil es sein Leben verändert hatte.
Nach einem unangenehmen Entzug sowie elf Monate im Gefängnis, wurde er mit der Auflage aus der Haft entlassen, sich eine neue Arbeit zu suchen, seine Schulden zu regulieren sowie seine Abstinenz über regelmäßige Urin-Screenings nachzuweisen. All dies meistert er nun schon seit einem Jahr erfolgreich. Zusätzlich geht Theo seither zur Suchtberatung und stellt dort, wie auch im Alltag fest: "Es geht a ohne des Zeig." Für Theo ist auch deutlich geworden, warum er vor allem konsumiert hat: Er wollte seinen negativen Gefühlen entrinnen können. Sein Vater starb früh, was ihn über Jahre nicht losließ. Das erkannte Theo erst, als er nichts mehr konsumierte und anfing mit seiner Trauer umzugehen. Nach langer Zeit musste er nicht mehr weinen, wenn er von seinem Vater sprach.
Bis heute spürt Theo immer wieder den Drang, etwas konsumieren zu müssen, wenn das Thema Drogen auf ihn zu kommt, er einsam ist und grübelt. Dem begegnet Theo heute jedoch mit neu gesteckten Zielen, welche ihn an einem neuen Weg festhalten lassen. Theo beginnt zum Beispiel, sich auf seine Medizinisch-psychologische Untersuchung vorzubereiten und würde vielleicht sogar, um sich weiter zu festigen, eine Therapie in Betracht ziehen. Er habe gelernt, sich auch wieder auf andere Dinge einzulassen. Am schwierigsten war es, wie er sagt, sich auch wieder anders zu belohnen oder Freunde außerhalb des Drogenmilieus zu finden, um seine Abstinenz nicht zu gefährden. Nachdem ihn seine Mutter in der Zeit im Gefängnis immer wieder besuchte und auch danach unterstützte, lernte er wieder, was ihm vor dem Tod seines Vaters wichtig war.
Der junge Mann will für seine Angehörigen da sein und vielleicht, wenn er jemanden kennenlernt, selbst eine Familie gründen. Schulden wolle er keine mehr machen. Irgendwann will er das Haus seiner Familie weiterführen können und lebendig halten. Zuerst dachte er, dass er nach seiner Auflage "clean zu sein" weiter konsumieren würde. Doch das ist es ihm nicht wert, alles wieder auf Spiel zu setzen. Theo hat aufs Neue gelernt, sein Leben von jemanden oder etwas abhängig zu machen. Er hat erfahren, wie er sein Leben gestalten kann und wünscht dies auch anderen. Bei Rückfällen weiß er, dass er sich jederzeit Hilfe suchen kann. Bis heute hält er Kontakt zur Fachambulanz für Suchtprobleme von der Caritas Kelheim, welche ihm half über die Dinge zu sprechen, die sonst viele in seinem Umfeld nicht verstehen. Es sei ihm wichtig, dass man lerne, dass auch "Junkies" nur Menschen sind, wie viele andere. Und, das man etwas gegen seine Sucht tun kann.
Bei Unterstützung können sich Hilfesuchende oder Angehörige von Betroffenen an die Fachambulanz für Suchtprobleme in Kelheim unter 09441/50 07 42 wenden. Die offene Sprechstunde findet montags von 14.30 bis 16 Uhr und freitags von 10 bis 11.30 Uhr statt.
Suchtberatung
Ein Leben am Limit
Erschienen am:
27.06.2019
Beschreibung